Nach dem Vertrag von Trianon (1919) in Folge des Ersten Weltkrieges, der als Folgeereignis nach dem Versailler Vertrag das Königreich Ungarn aufteilte, kamen viele Fabriken des alten k.u.k. Österreich-Ungarns zu neuen Ländern (Tschechoslowakei, Russland, Rumänien) sowie zu dem zunächst als SHS-Staat bezeichneten späteren Königreich Jugoslawien.

Schon 1918 entstand mit dem Staat der Slowenen, Kroaten und Serben (serbokroatisch: Država Slovenaca, Hrvata i Srba, slowenisch: Država Slovencev, Hrvatov in Srbov) ein neues Staatsgebilde, allerdings nur kurzzeitig (29. Oktober bis zum 1. Dezember 1918). Noch im selben Jahr entstand durch Zusammenschluss mit dem Königreich Serbien das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (serbokroatisch: Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, serbisch-kyrillisch Краљевина Срба, Хрвата и Словенаца, slowenisch: Kraljevina Srbov, Hrvatov in Slovencev), umgangssprachlich auch SHS-Königreich oder SHS-Staat genannt. 

 

Mit dem Vertrag von Trianon (1919) wurde dann der SHS-Staat zementiert. Die Staatsgründung spiegelte sich natürlich auch auf diversen Etiketten der Zeit wider. Unten abgebildete Karte gibt die Grenzen des späteren Jugoslawiens wieder, zwischen den Weltkriegen waren einige Teile Istriens und der Westen Sloweniens italienisch besetzt. Eingetragen sind auch die fünf zu dieser Zeit noch produzierenden Fabriken.

 

Kurz nach dem Weltkrieg (1919-1920) wurden vermutlich bei "Drava" in Osijek auch Hölzchen im „serbischen“ Vorkriegs-Stil (in Serbien gab es vor dem ersten Weltkrieg fast ausschließlich Importe z.B. aus Finnland, Russland oder Belgien) produziert, aber mit dem Dinar als Währung und einem veränderten Wappen (siehe hier bei Serbien).

DRAVA war jetzt eine eigenständige Aktiengesellschaft (Dioničko Društvo za Proizvodnju Žigića), wobei Dioničko Društvo (d.d. oder D.D. auch wieder auf Etiketten nach 1990 zu finden ist) für Aktiengesellschaft steht. Blau-weiß-rot waren jetzt die Nationalfarben des SHS-Staats. Das Wappen zeigte wieder den Doppeladler, aber im Unterschied zum ehemaligen serbischen Wappen jetzt die typischen Schilde Serbiens, Kroatiens und Sloweniens. Dieses nun offizielle Staatswappen, mit den genannten Landesteilen im Schild und der Landesbezeichnung „Königreich S.H.S.“ auf einem Streichholzetikett könnte eigentlich aus einem der einheimischen Fabriken stammen, dachte ich zunächst. Interessanterweise ist aber der kyrillische Buchstabe I (И) spiegelverkehrt geschrieben (N), was eigentlich der einheimischen Druckerei nicht passieren sollte. Vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, dass dieses Etikett aus Schweden stammt, siehe dazu auch im nächsten Kapitel "Königreich Jugoslawien 1929-1941". Ich habe auch Fehl- bzw. Andrucke auf Makulaturpapier in meiner Sammlung.

Tatsächlich stellte sich dann anlässlich meines Besuchs beim Sammlertreffen in Tidaholm/Schweden im Juni 2023 heraus, dass das Etikett aus Schweden stammt. Beim Besuch des schwedischen Reichsarchivs in Vadstena am Vätternsee konnten wir einen Blick in die Etikettenbücher der STAB (1917 bis  ca. 1980, weitergeführt als Swedish Match AB) werfen und da tauchte im Band 4 das Etikett mit dem SHS Staatswappen sowie ein passender Buchzünder auf. Das Etikett mit der laufenden Nummer 7537 trägt noch den Bustaben "A" (Normal- oder Schachteletikett) und der Buchzünder die Nummer 7664 und ein "X" für Buchzünder. Somit ist einigermaßen sicher, dass der SHS Staat für Repräsentationszwecke einen Auftrag für die Fertigung von entsprechender Schachtelware und Buchzündern an die STAB vergeben hat; Paket- oder Kistenetiketten muss es lt. dem Etikettenbuch nicht gegeben haben.

Im Lande selbst produzierte man für den inländischen Markt Schwedenhölzer "Svedske Zigice" der Marke „DANICA“ und für Handelshäuser wie „Hrvatski Radiša“. Übrigens, von dem gleichen Handelshaus gibt es auch Etiketten aus den Fabriken in Dolac und Vrbovsko, die nach 1918 weiter produzierten und wie unten ebenfalls zu sehen ist.

 

Ein weiteres Etikett aus Osijek zeigt auch noch einmal die verschiedene Anordnung der Landesfarben von Serbien, Slowenien und Kroatien. Möglicherweise steht das Rot rechts unten für die südlicheren Landesteile Montenegro und/oder Mazedonien? Aber auch hier ist der neue Staatsname (SHS) prägend.


Neben den oben abgebildeten Etiketten gab es auch Schachteln im 3/8 Format (ca. 42 x 33 mm), oben links. Die bei DRAVA hergestellten Wachshölzchen (voštane žižice)  wurden unter der Verwaltung des staatlichen Monopols des SHS-Staates hergestellt, wie dem Etikett zu entnehmen ist. Ein weiteres Etikett der staatlichen Monopolverwaltung, ohne Fabrikangabe, ist rechts gezeigt. Ob diese Ausgaben auch mglw. im späteren Königreich Jugoslawien entstanden sind, entzieht sich leider meiner Kenntnis.

 In den Katalogen 1918-1945 der tschechischen Sammlerfreunde der ČFS mit den Etiketten des heimischen Marktes (Šperk, 2019) und der für den Export (Kučera und Erben, 2018) finden sich zwei Etiketten für Wachs-Zünder (#267 und 268, registriert 1924) der dem SOLO Konzern zugehörigen Fabrik von Bernhard Fürth in Susice (B.F.) und ein Exportetikett (#543) für den ungarischen SZIKRA Konzern (Fabrik in Budafok). Interessanterweise ist jedem dieser Etiketten in den Katalogen ein kleineres Etikett zugeordnet (Größe: 37 x 8,5 mm), das in tschechisch, deutsch und ungarisch anzeigt, dass es sich um ein inländisches, heimisches Erzeugnis handelt.

 

Vor kurzem konnte ich nun aus Kroatien eine nahezu identische Wachszündhölzchen-Schachtel bzgl. Größe (42 x 32 mm) und kleines Etikett im Schuber, erwerben. Die Schachtel stammt aus der DRAVA D.D. Fabrik (Aktiengesellschaft) in Osijek, ebenfalls aus den 20er Jahren. Das in den Schuber in gleicher Weise eingeklebte kleine Etikett benennt in kroatischer Sprache ebenfalls eine einheimische Produktion. 

Alle drei auf den Etiketten genannten Fabriken gehörten ehemals zum 1903 gegründeten österreich-ungarischen SOLO Konzern bevor die ungarischen Fabriken während des ersten Weltkrieges (1915) zum SZIKRA Konzern zusammengefasst wurden und DRAVA eine eigen-ständige Firma wurde. Offensichtlich hat man aber bei der Entwicklung, Schachtelgestaltung und Produktion auch nach der Neuordnung der Ländergrenzen weiterhin kooperiert.

Auch der Großhändler Ivan Perdan mit der Zentrale in Ljubljana, der auch schon zu Zeiten Österreich-Ungarn eigene Schachteln (Importe aus Böhmen) nutzte,  lässt jetzt bei Drava in Osijek und auch in Ruše produzieren. Auf den Etiketten findet sich jetzt neben dem Staatswappen auch die Bezeichnung   für "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" in lateinischen und kyrillischen Buchstaben. Von diesen Etiketten gibt es mehrere Ausgaben, die sich hauptsächlich in der Angabe des ausführenden Grafikbetriebs unterscheiden (rechts unten im Bild).

Des weiteren sind ähnlich gestaltete Etiketten bekannt, leider nicht in meiner Sammlung.

In der Zeit des SHS-Staats haben mit Sicherheit noch fünf der ehemals vor dem 1. Weltkrieg existierenden Fabriken bestanden: Osijek, Dolac, Vrbovsko, Ruše und Novi-Vrbas (Ujverbasz). Die Fabrik in Ruše wurde Anfang der 30er Jahre geschlossen, ebenso die Produktionsstätte in Novi-Vrbas, die mglw. noch mit Drava in Osijek kooperierte, wie weiter unten noch zu sehen ist.

Ebenfalls aus der Zeit des SHS-Staats sind eine Reihe von Standardetiketten bekannt. Diese waren meist auf gelbem Papier in rotem und schwarzem Druck gehalten und sind mehr oder weniger von allen SHS-Zündholzfabriken dieser Zeit bekannt, vor allem die aus Osijek von DRAVA sind schon in größerer Anzahl zu finden. Es gibt auf diesen Etiketten keine Angabe von Inhalt und Preis, möglicherweise ist aber die Farbe des Drucks (rot oder schwarz) ein Hinweis auf Inhalt und Preis?

Desweiteren gibt es von diesen Etiketten verschiedene Auflagen, die sich nur in Details unterscheiden. So zu sehen bei den beiden schwarzen Etiketten oben im Wappentier  (Adlerklauen, Schwanz) und der Schriftgröße.

Auch die Fabrik in Dolac na Lasvi hat die oben bei den Drava Etiketten gezeigte Aufmachung übernommen. Interessant ist bei den Dolac Etiketten die Bezeichnung der Fabrik als "I. Bosnisch-Herzegowinische Streichholzfabrik AG" (in lateinischen bzw. kyrillischen Schriftzeichen); diese Bezeichnung hatte die Fabrik auch schon vor dem 1. Weltkrieg. Ein eher seltenes Exemplar aus der Fabrik in Novi-Vrbas das sich ebenfalls in meiner Sammlung befindet, ist unten zu sehen.

 Neben dem fast ausschließlich verwendeten 4/4 Format (55 x 35 mm) gab es auch, wie oben schon gezeigt, Etiketten im 3/8 Format (ca. 42 x 33 mm). Insbesondere beim 4/4 Format differierten die Maße auch mal um den einen oder anderen Millimeter. Das links abgebildete Etikett stammt ebenfalls aus Osijek. Auch hier sieht man deutlich unten rechts die Angabe der Druckerei bzw. des Grafikbetriebes aus Osijek. Das heißt, dass die Zündholz(schachtel) produktion und die Etikettenherstellung getrennt, also in verschiedenen Firmen erfolgten! Man findet bei vielen Etiketten der 20er und 30er Jahre diese Angaben zur Druckerei, in Maribor, Osijek oder Belgrad.

Sehr interessant ist rechts abgebildetes Etikett (leider nicht in meinem Besitz) dadurch, dass es sich um eine Ausgabe der Fabriken in Osijek und Novi-Vrbas handelt. Möglicherweise hatte Osijek auch die Fabrik in Novi-Vrbas übernommen, da auf dem Etikett nur DRAVA D.D. verzeichnet ist. Was auch immer der Hintergrund sein mag, weitere Beispiele dieser Art sind mir nicht bekannt? 

Von den Fabriken in Ruše und Vrbovsko kenne (besitze) ich keine der oben abgebildeten Standardetiketten mit Angabe des Produzenten, möglicherweise hat es diese auch nicht gegeben sondern nur die der Fabriken in Osijek, Dolac und Novi-Vrbas? Aus Ruše und Vrbovsko sind nur die beiden unten abgebildeten Etiketten bekannt, auch wieder in variierender Größe von Schrift und Wappen. 

Ein bis in die 30er Jahre hinein benutztes Motiv ruft zum "Schutz der Adria" auf (Čuvajmo naše more – Schützen wir unser Meer), und das, nach Rückfrage bei einem Freund in Serbien, im Rahmen der Landesverteidigung gegen das faschistische Italien, dem nach dem 1. Weltkrieg slowenische und kroatische Küstenteile zugeschlagen wurden.  Die Aufschrift "Žigice Jadranske Straže" bedeutet soviel wie:
"Die Streichhölzer der adriatischen Wache".

Die Etiketten wurden zumindest von den Fabriken in Osijek, Dolac, Ruše und Vrbovsko herausgebracht, z.T. mit Nennung der Verwaltung des Staatsmonopols und der Bezeichnung SHS oder nur unter Angabe "Königreich SHS" in lateinischer bzw. kyrillischer Schrift. Von der Fabrik in Novi-Vrbas sind mir diese Etiketten nicht bekannt. Interessanterweise wird bei oben abgebildeten Standardetiketten aber auch bei den "Schutz der Adria"-Etiketten der Einfluss der Monopolverwaltung sichtbar, die offensichtlich Motive und allgemeines Aussehen bestimmte. Aus den Aufdrucken ist aber immer noch der Hersteller erkennbar, was sich in den 30ern ändern sollte.

Die mit dem roten Stern (*) versehenen Abbildungen markieren Etiketten, die sich nicht in meiner Sammlung befinden.